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Münchner Weltraumschmiede HPS: Kleidung für Satelliten


December 2012

Im Weltraum ist es kalt – und heiß. Satelliten, die beispielsweise aus 36.000 Kilometern Höhe über der Erde ihre Fernsehprogramme abstrahlen, sind auf der Sonnenseite Temperaturen von plus 120 Grad ausgesetzt, während auf der anderen Seite die Kälte des Alls mit minus 170 Grad an ihnen nagt. Ausgeglichen wird diese Differenz durch eine maßgefertigte weltraumtaugliche „Daunenjacke“, den Thermalschutz (im Fachjargon: MLI, Multi-Layer-Insulation).

Allein etwa eintausend kommerzielle Satelliten im Wert von über dreihundert Milliarden Euro sorgen weltweit für Telefon-, TV- und Datenübertragung. Dazu kommt noch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Satelliten, die in die Ferne spähen oder die Erde beobachten. Für ihre angemessene „Bekleidung“ und damit Funktionsfähigkeit sorgte in Europa bislang vornehmlich ein großer Hersteller aus Österreich, dessen Marktherrschaft seit neuestem die kleine Münchner Raumfahrtschmiede HPS mit deutlich niedrigeren Kosten bei zertifizierter gleicher Qualität attackiert. Das Rezept: Die Forschungs- und Entwicklungszentrale in Deutschland hat nach fünf Jahren Vorbereitung ihre Tochtergesellschaft in Porto zum Produktionsstandort qualifiziert und ausgebaut; Die Entwicklung der Schnittmuster, Nähverfahren und Halterungen wird durch Spezialisten hauptsächlich in Deutschland durchgeführt.

In den vergangenen Wochen wurden die letzten Maßanfertigungen des Thermalschutzes für das drei Meter hohe Weltraumteleskop „eROSITA“ des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching bei München angelegt: Insgesamt rund 80 unterschiedliche Kleidungsstücke mussten für die hochgenaue Struktur entwickelt werden. Das Teleskop wird ab 2014 an Bord des „Spektrum-Röntgen-Gamma“ – Satelliten erstmals den gesamten Himmel auf der Jagd nach „Dunkler Materie“ kartographieren. „Das eROSITA-MLI ist der bisherige Höhepunkt unserer erfolgreichen Entwicklung und Fertigung. Im Oktober haben wir zudem gerade eine Garderobe aus ca. 120 Teilen für das Landungsraumschiff der kommenden ESA-Mission zum Mars begonnen, und für rund ein halbes Dutzend weitere Satelliten-Thermoanzüge erwarten wir den Zuschlag. Daneben sehen wir unser Potential auch in unzähligen kleineren Aufträgen für Satelliten-Unterlieferanten, die vom Marktführer bisher aus unserer Beobachtung nicht optimal bedient werden. Unser Angebot bietet nicht nur den Kunden eine Alternative zum bestehenden ´Monopol´; es zeigt auch, welche Chancen in Europa für grenzüberschreitende Unternehmungen gerade im Hochtechnologie-Bereich Raumfahrt bestehen. Die derzeit zwölf Arbeitsplätze im krisengeschüttelten Portugal sind sicher, fünf bis zehn weitere kommen bald hinzu; in Deutschland werden wir parallel von 30 auf 50 Mitarbeiter wachsen“, so der HPS-Chef und Raumfahrtingenieur Dr. Ernst K. Pfeiffer. Kunden sind neben der europäischen Raumfahrtagentur ESA (Paris) und der deutschen Raumfahrtagentur DLR (Bonn) Unternehmen wie die OHB-Tochter Kayser-Threde (München), ThalesAleniaSpace Italia (Turin) und das Max-Planck Institut für extraterrestrische Physik (Garching).