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Europäische Raumfahrt – Quo vadis?


Mai 2017

Dialog der Spitzen aus Politik und Industrie

Am 24. Mai 2017 trafen auf Einladung des BavAIRia e.V. im Hause Airbus DS die politischen und industriellen Spitzen der europäischen Raumfahrt zum Gespräch über die Zukunft der Raumfahrt und deren Anwendungslandschaft unter dem besonderen Vorzeichen von „New Space“ zusammen. Die Großkonzerne Airbus und OHB wurden vertreten durch Dr. Johannes von Thadden und Marco Fuchs, für das nationale Raumfahrtmanagement und die ESA waren Dr. Gerd Gruppe und Dr. Ulrike Bohlmann, und für den Mittelstand waren deren Sprecher und HPS-CEO Dr Ernst Pfeiffer sowie Martin Blaser von ASP gekommen, während die EU von der Vorsitzenden der Sky & Space Intergroup des europäischen Parlaments, Monika Holmeier, vertreten wurde. Künftige Anwendungen insbesondere vor dem Hintergrund der heranreifenden Leuchtturmprojekte der EU – etwa Copernicus und Galileo – wurden in einem zweiten Diskussionsblock von Repräsentanten der GNSS-Agentur, Prag, des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und ausgewählter industrieller Anwendungsspezialisten beleuchtet.

Monika Holmeier ließ keinen Zweifel an der Entschlossenheit der EU aufkommen, die europäische Raumfahrt-Agenda auf der Basis des bisher schon Erreichten kraftvoll voranzubringen, und verwies auf die auch wirtschaftlichen Erfolge der Großprojekte Copernicus und Galileo. Sie warnte dabei eindringlich vor Tendenzen der Monopolisierung durch wenige Großunternehmen und wünschte auch hier die Zusammenarbeit mit dem Mittelstand. Dennoch scheint es, wie Ernst Pfeiffer für den Mittelstand feststellte, in der europäischen „New Space“-Roadmap vor allem zwei festgelegte Rollen zu geben: Die der drei Konzerne als Primes für die staatlichen Großprojekte, und die der kleinen und teilweise noch gar nicht existenten „Startups“ für die Anwendungen. Dazwischen aber, so Pfeiffer, existiert noch ein enormes Potential beim sowohl markt- wie technikseitig seit Jahren hoch qualifizierten Mittelstand und er provozierte mit der Vermutung, dass genau dieses Potential vielfach aus dem Blick gerate, weil es schlicht nicht „politisch attraktiv“ sei wie die beiden anderen Pole, die Großindustrie durch ihr Arbeitsplatzargument und die Startup-Szene durch ihr Ideenfeuerwerk. Wenngleich diese Position nicht gänzlich unwidersprochen blieb, ließ sich jedoch am Ende der Diskussion eine gewisse gemeinsame Linie erkennen, die sich unter anderem auf drei Säulen stützt:

  • Die Voraussetzungen in Europa für „New Space“ amerikanischer Machart sind weder in ausreichender Form und Masse gegeben, noch wird es als wünschenswert angesehen, das Prinzip der Nachhaltigkeit für reine Kurzfristeffekte, die später umso mehr Probleme schaffen können, auf´s Spiel zu setzen. Europa braucht seinen eigenen Weg, und hier kommt gerade dem etablierten Raumfahrtmittelstand eine tragende Rolle zu – denn Technologie ist „DIE europäische Waffe“, wie aus dem Publikum von Jörg Feustel-Büechel angemerkt wurde. Allerdings sind im Sinne fairen globalen Wettbewerbs erst einmal gleiche Voraussetzungen für alle zu schaffen.
  • Die Förderung der mittelständischen Raumfahrtindustrie – insbesondere ihrer besonders stark in Deutschland ausgeprägten Kompetenzlandschaft – ist eine nationale Priorität von wachsender Dringlichkeit, da sie in besonderer Weise durch Schlüsseltechnologien von Zulieferern für deutsche Primes die souveräne Partnerschaftsfähigkeit Deutschlands erhält.
  • Optimierungspotential hinsichtlich der Geschwindigkeit der Prozesse besteht – etwa bei Förderentscheiden, Exportlizenzen oder auch parlamentarischen Prozessen – und kann gerade im Hinblick auf die Dynamik der Entwicklung von administrativer Seite noch gehoben werden. Denn jede Erhöhung der Schlagzahl ist auch ein Schritt auf dem Weg zur Bewahrung eines unabhängigen europäischen Wegs in die Zukunft einer an Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit orientierten Raumfahrt.

In Conclusio:

  • Raumfahrt hat generell eine große Zukunft; Bayern, Deutschland und Europa müssen sich nur entscheiden, ob sie mit eigenständigen Leistungen als souveräner Partner dabei sein wollen – oder eben nicht.
  • Horizon 2020 bietet unterkritische Gewinnchancen durch Budgetrestriktionen bei enormem europäischen Bieterandrang; zusätzliche Anreize gerade für qualifizierte Unternehmen sind dringend zu schaffen
  • Die Politik erwartet Ideen und konkrete Bedarfsformulierungen für die Entwicklung von „Infrastrukturen“, die sie auch der terrestrischen Anwenderindustrie anschließend zur Verfügung stellen kann. Insbesondere das Bundesverkehrsministerium zeigte sich hier außergewöhnlich aufgeschlossen.